„Es ist kurz nach halb 3. Ich kann schon wieder nicht schlafen. Wie soll ich den Tag morgen überstehen?“

So steht es in meinem Tagebuch. Mein Mann hat mich wegen einer anderen verlassen. Ich bin im freien Fall ins Bodenlose.

Heute, sieben Jahre später, begleite ich Frauen durch genau diese Phase. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man von heute auf morgen in dieses große schwarze Loch fällt.

Weißt du was ich damals dringend gebraucht habe? SELBSTFÜRSORGE!

So kurz nach dem Aufprall während einer Trennung ist Selbstfürsorge alles andere als ein Luxus – sie ist essentiell. Lebenswichtig wie das Atmen. Etwas, das du sofort tun solltest, nicht morgen, nicht nächste Woche. Heute. Jetzt.

In diesem Artikel zeige ich dir drei einfache Impulse, die dir dabei helfen gerade jetzt mehr auf dich zu achten. Ich habe diese drei Sebstfürsorge-Übungen selbst gemacht, immer und immer wieder. Und auch meinen Klientinen helfen sie durch die ersten Wochen nach einer Trennung. Und das ganz ohne Durchhalteparolen und gut gemeinte Ratschläge – einfach praxisnahe Impulse für die Momente in denen gar nichts mehr geht.

Selbstfürsorge – eine Definition für die Momente in denen du ganz unten bist

„Selbstfürsorge“ – dieses Wort wirkt fast zynisch, wenn du emotional am Boden bist.

Die üblichen Empfehlungen wie entspannende Bäder oder Yogastunden reichen bei weitem nicht aus und treffen das, was du gerade brauchst, nicht mal im Ansatz. Wenn eine Frau vor mir sitzt, deren Mann sie von heute auf morgen verlassen hat, dann sprechen wir von einer ganz anderen Art von Selbstfürsorge. 

Wir sprechen über die grundlegendsten Bedürfnisse:

  • Essen, auch wenn jeder Bissen schwerfällt. Schreibe dir konkrete Essens-Erinnerungen auf kleine Notizzettel: „10 Uhr: Apfel essen“ oder „14 Uhr: Ein Glas Wasser trinken“. Klebe sie an den Kühlschrank oder stelle dir einen Alarm im Handy. So einfach, so lebenswichtig.
  • Schlafen, auch wenn dein Kopf nicht zur Ruhe kommt. Stelle dir eine feste „Schlaf-Regel“ auf: Kein Handy nach 21 Uhr, stattdessen ein Hörbuch (bewusst nichts Romantisches), das du bereits kennst. Eine vertraute Stimme kann deine Gedanken genug ablenken, damit du manchmal einschlafen kannst.
  • Bewegen, auch wenn dein Körper sich schwer anfühlt. Vergiss „Sport“ im klassischen Sinne – manchmal reicht es, zur Bushaltestelle zu gehen und wieder zurück. Hauptsache, dein Körper kommt in Bewegung.

Das ist die wirklich harte Realität einer Trennung. Dein Körper vergisst seine grundlegendsten Funktionen. Dein Gehirn ist im Überlebensmodus. Wenn ich in dieser Phase von „Selbstfürsorge“ spreche, dann meine ich das absolute Minimum, das du jetzt brauchst, um Halt zu finden und diese Momente zu überstehen.

Wenn dir die Kraft für „Selbstliebe“ fehlt – was dann?

In den sozialen Medien liest du ständig von „Selbstliebe“, „innerer Kraft“ und „Balance“. Schöne Konzepte – aber im Moment fällt dir ja schon das Aufstehen schwer und alltägliche Routinen wirken wie die Besteigung des Matterhorns.

Selbstliebe erscheint dir als ein Ding der Unmöglichkeit, wenn dein Selbstwert in tausend kleine Teile zersprungen ist. Du fühlst dich wie ein wandelndes Wrack. Dich selbst lieben kannst du gerade einfach nicht, was du aber kannst ist, für deinen Körper zu sorgen. Er braucht dich jetzt gerade.

Und genau hier fängt Selbstfürsorge an. Keine großen Geschichten, sondern kleine unscheinbare Dinge, die dir jetzt gut tun. Hier kommen ein paar ganz einfache Selbstfürsorge-Tipps für deinen Alltag:

  • Ein Glas Wasser austrinken, nicht weil du Durst hast, sondern weil dein Körper es braucht – besonders wenn du viel geweint hast.
  • Fünf Minuten unter der Dusche stehen, selbst wenn du nur dort stehst und das Wasser über dich laufen lässt – die Wärme tut deinem Körper gut.
  • Das Fenster für drei tiefe Atemzüge öffnen, auch wenn dir frische Luft gerade vollkommen egal ist – dein Gehirn bekommt trotzdem mehr Sauerstoff.

Ich nenne das „Selbstfürsorge auf Autopilot“ – du tust diese Dinge, auch wenn Herz und Kopf gerade woanders sind. Es ist nicht viel, aber genau das brauchst du jetzt. Dein Körper ist dein Zuhause, auch wenn er sich gerade irgendwie fremd anfühlt. Er braucht diese Zuwendung. Diese winzigen Schritte sind sowas wie dein persönlicher Triumph. Niemand sieht sie, niemand applaudiert – aber sie bringen dich durch diesen unendlichen Tag.

Warum ist Selbstfürsorge während der Trennung so schwer

Warum fällt es eigentlich so schwer, gut zu dir selbst zu sein, wenn du gerade verlassen wurdest? Die ehrliche Antwort: Weil ein Teil von dir tief drinnen glaubt, du hättest es nicht verdient geliebt zu werden.

Dieser Gedanke – „Wenn ich es wert wäre, geliebt zu werden, wäre er ja geblieben“ – liegt wie ein schwerer Stein auf deiner Brust. Seine neue Beziehung ist für dich der Beweis, dass mit dir etwas nicht stimmt.

Ich sage dir jetzt etwas, das du vermutlich im Moment nicht hören willst und nicht glauben kannst:

Du bist nicht verlassen worden, weil du es nicht wert bist. Du bist verlassen worden, weil ein anderer Mensch eine Entscheidung getroffen hat. Seine Entscheidung sagt nichts – absolut nichts – über deinen Wert aus.

Die Trennung zeigt nur, dass eure Beziehung zu Ende gegangen ist, nicht dass du weniger liebenswert bist. Dein Wert als Mensch ist nicht an diese Beziehung gekoppelt.

Und genau deshalb ist Selbstfürsorge jetzt so wichtig. Dein Körper und deine Seele brauchen jetzt Zuwendung – von der einzigen Person, die immer bei dir bleiben wird: dir selbst.

Drei einfache Selbstfürsorge-Rituale für deinen Alltag

Diese drei Übungen sind der einfache Einstieg, wenn große Konzepte gerade nicht passen. Sie sind bewusst leicht in deinen Alltag zu integrieren. Sie brauchen auch keine besondere Vorbereitung. Selbstfürsorge bedeutet jetzt auch nicht, dass du dich sofort besser zu fühlst, es sind kleine Schritte, wenn große unmöglich erscheinen.

1. Die 3-Minuten-Auszeit

Diese zermürbenden Fragen in Dauerschleife zerren an deinen Nerven. Du bist erschöpft und ausgelaugt. Die 3-Minuten-Auszeit ist dein Notausschalter für diesen mentalen Marathon. Stell einen Timer auf genau drei Minuten. Setz dich bequem hin und lege deine Hände locker auf deinen Oberschenkel. Schließe die Augen und atme einfach. Spüre, wie deine Hände auf den Beinen liegen – das Gewicht, die Wärme und den Stoff unter deinen Fingern.

Du musst nichts Besonderes erreichen oder dich sofort besser fühlen. Dein einziges Ziel ist es, drei Minuten lang präsent zu sein. Du wirst überrascht sein, glaub mir.

2. Die Hand aufs Herz-Minute

Im Chaos nach einer Trennung verlierst du leicht den Kontakt zu dir selbst. Zwischen dem tapferen Lächeln für dein Kind und den nächtlichen Tränen fehlt der Moment, in dem du ehrlich zu dir selbst sein kannst. Hand aufs Herz: Du brauchst diese kurze Auszeit. Nicht um Antworten zu finden und einfach nur da zu sein.

  • Stelle dich vor einen Spiegel (nur dein Gesicht reicht, wenn mehr zu viel ist)
  • Lege eine Hand auf dein Herz, sodass du seinen Schlag spürst
  • Sprich leise zu dir selbst: „Ich bin hier. Ich atme. Das ist genug für den Moment“

Diese Mini-Meditation bringt dich zurück zu dir selbst. Kein großes Drama, keine Transformation – nur eine kurze Unterbrechung im Alltag. Manchmal brauchst du genau das: Eine Erinnerung, dass du noch da bist, auch wenn sich alles andere verändert hat.

3. Das Momente-Tagebuch

Wenn deine Gefühle dich überrollen, wird ein kleines Notizbuch dein Freund. Such dir eines, das in deine Tasche passt. So hast du es immer dabei, wenn der Schmerz kaum auszuhalten ist:

  • Notiere Datum und Uhrzeit, um diesem Moment einen klaren Rahmen zu geben
  • Schreibe einen ehrlichen Satz, der mit „Ich fühle gerade…“ beginnt
  • Beende deinen Eintrag mit den Worten: „Auch dieser Moment wird vorübergehen.“

Diese einfache Schreibübung hilft dir, deine Gefühle anzunehmen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Sie macht das emotionale Chaos greifbar. Mit der Zeit wirst du in deinen Einträgen bestimmte Muster erkennen können – sie zeigen dir deinen Weg zurück zu deiner inneren Stärke.

Wenn Selbstfürsorge nicht mehr ausreicht und du dir professionelle Hilfe holen solltest

Selbstfürsorge ist wichtig, aber sie hat ihre Grenzen. Der Trennungsschmerz kann manchmal so überwältigend und die Verletzungen so tief sein, dass selbst die besten Übungen nicht ausreichen. Achtsam für dein Wohlbefinden zu sorgen bedeutet auch zu lernen, wann du mehr Unterstützung brauchst.

Dein Körper und deine Seele senden dir klare Zeichen, wenn deine eigenen Grenzen erreicht sind. Diese Signale sind keine Schwäche, sondern ein wichtiger Schutzmechanismus.

Wenn du mehrere der folgenden Anzeichen bei dir bemerkst, ist es Zeit, dir Unterstützung zu holen:

  • Du kannst mehrere Tage hintereinander nicht schlafen.
  • Du isst seit mehr als zwei Tagen nichts.
  • Du hast konkrete Gedanken, dir etwas anzutun.
  • Du kannst dich nicht mehr um dein Kind kümmern
  • Du nimmst mehr Alkohol oder Medikamente zu dir als üblich

Es gibt keine Medaille für „Ich schaffe es allein“. Wirklich stark bist du, wenn du erkennst, wann du Hilfe brauchst. Ein Anruf bei deinem Hausarzt oder einer Beratungsstelle ist ein kleiner Schritt, der einen großen Unterschied machen kann. Das Leben nach der Trennung wird nicht sofort leichter, aber mit der richtigen Unterstützung kommst du irgendwann aus diesem Tief heraus..

Über Achtsamkeit und Wohlbefinden in einer schweren Zeit

Du liest diesen Artikel vielleicht auf dem Smartphone, während du im Bett liegst und nicht schlafen kannst. Oder in der Mittagspause, während du versuchst vor den Kollegen fröhlich zu wirken.

Liebeskummer belastet nicht nur deine Seele, sondern auch deine eigene Gesundheit. Deshalb ist Selbstfürsorge gerade jetzt so wichtig für dich. Jeder Moment der Achtsamkeit hilft dir, dein angeschlagenes Selbstwertgefühl zu pflegen. 

Auf deine Bedürfnisse zu hören ist kein Luxus, sondern gerade jetzt eine echte Notwendigkeit. Es ist der erste Schritt, um dein Selbstbewusstsein langsam wieder aufzubauen.

Dabei ist dein Schmerz einzigartig. Und trotzdem bist du nicht allein. Und ja, es wird anders werden. Nicht heute. Nicht morgen. Aber irgendwann.

Links und Lesetipps zum Blogartikel:

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📚 Lesetipps zum tiefer Einsteigen

👉 „Kopf hoch“? Warum dieser Rat nach der Trennung oft falsch ist
👉 Die 5 Phasen der Trennung und wie du sie durchstehen kannst
👉 Mit dem Kind über die Trennung sprechen: Altersgerechte Worte in schwierigen Zeiten

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Quellen:
[1] Branson, A. C. (2023): The Impact of Self-Care on Mental Health in College Students. Georgia Southern University, Honors College Theses. https://bit.ly/43wRKiy

[2] Ebner, K., Schulte, E. M., Soucek, R. & Kauffeld, S. (2023): Longitudinal associations between self-care and mental health outcomes in the face of adversity. Stress and Health, 39(3), 544-556. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36794327/

[3] Lucock, M., Gillard, S., Adams, K., Simons, L., White, R., & Edwards, C. (2011): Self‐care in mental health services: a narrative review. Health & Social Care in the Community, 19(6), 602-616. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-2524.2011.01014.x